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Übertragung von Geschäftsanteilen und Gewinnverteilung

Urteil vom 26.6.2023 – 12 U 23/23

Im Rahmen eines share deal müssen sich Käufer und Verkäufer standardmäßig mit der Frage auseinandersetzen, wie mit dem Gewinn des laufenden Jahres umgegangen werden soll. Soll dieser dem Käufer oder aber dem Verkäufer zustehen? Letztlich stellt sich diese Frage auch bei Übertragungen zum Ende des Geschäftsjahres, weil auch zu diesem Zeitpunkt über den Gewinn des abgelaufenen Jahres mangels vorliegendem Jahresabschluss noch nicht entschieden ist.

Gewinn soll dem Veräußerer zustehen

Soll der Gewinn noch dem Veräußerer zustehen, dann ist üblich, dass im Geschäftsanteilskauf- und Abtretungsvertrag sinngemäß formuliert wird, dass „der Gewinn des laufenden Jahres dem Veräußerer zusteht.“

Problematisch ist dies für den Veräußerer zum einen deswegen, weil er auf die Beschlussfassung über die Ergebnisverwendung mangels Gesellschafterstellung keinen Einfluss mehr nehmen kann und zum anderen schon deswegen, weil dies häufig zu dem praktischen Problem führt, dass der Veräußerer schon den Jahresabschluss nicht zur Verfügung gestellt bekommt.

Ein Veräußerer, dem im Anschluss mitgeteilt wird, dass die Gesellschafterversammlung entschieden hat, dass der Gewinn bspw. in die Rücklage eingestellt wird oder der Jahresabschluss einen Gewinn nicht ausgewiesen hat, hat ein fundamentales Interesse daran, den Jahresabschluss einzusehen, um ggfs. Schadensersatzansprüche gegen den Erwerber durchzusetzen.

Auskunftsanspruch des ausgeschiedenen Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft

Einen Auskunftsanspruch im Hinblick auf den Jahresabschluss hat der ausgeschiedene Gesellschafter nach der Rechtsprechung des BGH gegenüber der Gesellschaft aus § 810 BGB (BGH 1989, NJW 1989, 225). Diese ist aber nicht Beklagte/Anspruchsgegnerin, wenn es um die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs wegen eines vereitelten Gewinnauszahlungsanspruchs geht.

Auskunftsanspruch des ausgeschiedenen Gesellschafters gegenüber dem Erwerber

Wie so oft hilft an dieser Stelle Treu und Glauben. Hieraus soll ein Auskunftsanspruch auch gegenüber dem Erwerber bestehen, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, und wenn der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderliche Auskunft zu erteilen (zB BGH GRUR 2007, 532).

Bindung des Erwerbers an Geschäftsanteilskauf- und Abtretungsvertrag

Eine aktuelle Entscheidung des OLG Naumburg (Urteil vom 26.6.2023 – 12 U 23/23) erkennt sodann an, dass es zwar einen Ermessensspielraum darüber gibt, ob das Jahresergebnis der Gesellschaft unter den Gesellschaftern verteilt wird oder ob und inwieweit es zur Stärkung der Eigenkapitalbasis einbehalten und vielmehr den Gewinnrücklagen zugeschlagen oder als Gewinnvortrag behandelt wird, ein Gesellschafter, der die Anteile mit entsprechender Abrede über das Gewinnbezugsrecht aber an diese Abrede gebunden ist; in diesem Fall also die vertragliche Regelung grundsätzlich Vorrang gegenüber der Kann-Bestimmung des Gesetzes (§ 29 Abs. 2 GmbHG) hat und damit jedenfalls im Verhältnis zum Altgesellschafter den Entscheidungsspielraum des Anteilserwerbers beschränkt (zB BGH NZG 2004, 912), OLG Naumburg, Urt. v. 26.06.2023 – 12 U 23/23).

In der Konsequenz ist der Erwerber grundsätzlich verpflichtet, einen Gewinnverwendungsbeschluss zu treffen, der die anteilige Auszahlung des Unternehmensgewinns des Jahres 2020 an die Gesellschafter bzw. an die ausgeschiedenen Gesellschafter vorsieht. Nur unter besonderen Umständen kann ausnahmsweise davon abgewichen werden, soweit der Gewinnauszahlungsanspruch des früheren Gesellschafters hinter die wirtschaftlichen Interessen der Gesellschaft zurücktreten muss (vgl. BGH NZG 2004, 912), OLG Naumburg, Urt. v. 26.06.2023 – 12 U 23/23).

Resümee

Erwerber sollten sich darüber im Klaren sein, dass mit der Zuweisung des Gewinnanspruchs des laufenden Jahres an den Veräußerer Konfliktpotential einhergeht. Zum anderen, weil Positionen des Jahresabschlusses streitig werden könnten, zum anderen, weil der ausgeschiedene Gesellschafter umfangreiche Auskunftsrechte wahrnehmen kann und Drittens, weil der Erwerber sich damit bindet und grds. auch verpflichtet ist, einen Gewinnverwendungsbeschluss zu fassen, wenn er nicht riskieren will, auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden.