Beschl. v. 17.12.2024 – II ZB 5/24
Inhaltliche Kontrolle durch den Rechtsanwalt
Eine aus einem anderen Dateiformat in eine PDF-Datei umgewandelte Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsschrift ist durch den signierenden Rechtsanwalt vor der Übermittlung im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs an das Gericht per besonderem elektronischen Anwaltspostfach darauf zu überprüfen, ob ihr Inhalt dem Inhalt der Ausgangsdatei entspricht; dies hat der BGH (Beschl. v. 17.12.2024 – II ZB 5/24) jüngst nochmals klargestellt.
Leeres PDF
An einem Montag ist beim Landgericht nach Dienstschluss eine über das besondere elektronische Anwaltspostfach durch den Prozessbevollmächtigten persönlich übersandte einfach signierte Nachricht eingegangen, die neben dem Prüfvermerk zwei Anhänge im PDF-Format enthalten hat, nämlich das erstinstanzliche Urteil als PDF-Dokument und ein weiteres PDF-Dokument mit dem Namen „Schriftsatz.PDF“. Die letztere Datei hat jedoch nur ein leeres Blatt enthalten.
Die Klägerin hat den darauf folgenden Wiedereinsetzungsantrag damit begründet, dass ihr Prozessbevollmächtigter auf die Softwares „MS-Word“ als Textverarbeitungsprogramm und „RA-Micro“ zurückgegriffen habe. Der Prozessbevollmächtigter habe die Berufungsschrift erstellt und innerhalb der Textverarbeitung mit dem mit der Berufung angegriffenen Urteil verbunden, was ihm auch angezeigt worden sei. Nach Fertigstellung und Speicherung habe er die Dokumente in den Postausgang verschoben, einfach elektronisch signiert und an das Landgericht versandt, wobei er sich davon überzeugt habe, dass der richtige Schriftsatz vorhanden gewesen sei. Hierbei habe er die in der Bedienungsanleitung vorgesehenen Arbeitsschritte eingehalten. Technisch sei es nicht anders möglich, als dass die Berufungsschrift Teil der bereitgestellten beA-Nachricht gewesen sei, da diese mit dem angegriffenen Urteilsdokument verbunden gewesen sei. Nach Übermittlung habe er sich über das Zustellungsprotokoll über die erfolgreiche Zustellung informiert.
Kontrollverlust
Dies ließ der BGH nicht genügen. Die Klägerin habe nicht hinreichend glaubhaft gemacht, ohne ein – ihr gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares – Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten an der Einhaltung der Berufungsfrist verhindert gewesen zu sein. Sie hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihr Prozessbevollmächtigter vor der elektronischen Signatur der PDF-Datei und der Übersendung an das Gericht diese Datei hinreichend überprüft und kontrolliert habe.
Eine aus einem anderen Dateiformat in eine PDF-Datei umgewandelte Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsschrift ist durch den signierenden Rechtsanwalt vor der Übermittlung im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs an das Gericht per besonderem elektronischen Anwaltspostfach darauf zu überprüfen, ob ihr Inhalt dem Inhalt der Ausgangsdatei entspricht. Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs über das besondere elektronische Anwaltspostfach entsprechen grundsätzlich denen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax. Auch bei der Signierung eines ein Rechtsmittel oder eine Rechtsmittelbegründung enthaltenden fristwahrenden elektronischen Dokuments (§ 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO) gehört es daher zu den Pflichten eines Rechtsanwalts, das zu signierende Dokument zuvor selbst sorgfältig auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu prüfen (BGH, Beschluss vom 8. März 2022 – VI ZB 78/2). Entscheidend ist, dass das tatsächlich signierte Dokument überprüft wird, was insbesondere auch in den Fällen gilt, in denen eine Datei durch Scan-, Kopier- und Speichervorgänge erneut erstellt wird. Durch diese Vorgänge wird im elektronischen Bereich eine besondere Gefahrenquelle geschaffen, so dass es erforderlich ist, das letztlich zu signierende Dokument zu überprüfen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. März 2022 – VI ZB 78/21). Eine solche notwendige Überprüfung hat nicht stattgefunden.