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Bezeichnung einer Arztpraxis mit zwei Ärzten als „Zentrum“

Eine zulässige Werbeaussage als „Zentrum für plastische und ästhetische Chirurgie“

Das OLG Frankfurt a. M. hat mit Urteil vom 11.5.2023 (Az. 6 U 4/23) entschieden, dass der Verkehr im medizinischen Bereich jedenfalls bei einer sich als „Zentrum“ bezeichnenden Arztpraxis keine Mindestanzahl an Ärzten mehr erwarte, da auch ein medizinisches Versorgungszentrum nach § 95 I 1 SGB V keine Mindestanzahl mehr verlangt und dies das Verkehrsverständnis beeinflusst.

Bezeichnung als „Zentrum“

Der Antragsteller ist in eigener Praxis für plastische Chirurgie niedergelassen. Die Antragsgegner – beide u.a. Fachärzte für plastische und ästhetische Chirurgie – betreiben eine Praxis für plastische Chirurgie. Auf der Webseite wird diese Gemeinschaftspraxis als „Zentrum für plastische und ästhetische Chirurgie“ bezeichnet. Zur Beurteilung der Werbeaussage ist auf den Gesamteindruck der maßgeblichen Verkehrskreise abzustellen; hier die empfehlenden Ärzte und potentielle Patienten.

Grundsätzlich erwarte der Verkehr bei dem Begriff „Zentrum“ zwar eine personelle und sachliche Struktur eines Unternehmens, die über vergleichbare Durchschnittunternehmen hinausgehe. Dies habe der BGH (im Jahr 2012) für die Bezeichnung „Neurologisches/Vaskuläres Zentrum“ für eine mit einem Internisten als „Chefarzt“ besetzte Unterabteilung eines Krankenhauses als irreführend beanstandet, weil die fragliche Unterabteilung erkennbar nicht über eine über den Durchschnitt hinausgehende Kompetenz, Ausstattung und Erfahrung auf dem fraglichen Gebiet verfüge (BGH GRUR 2012, 942 Rn. 19).

Indes haben sich die gesetzlichen Voraussetzungen seither geändert. Nach § 95 I 1 SGB V erfordere ein MVZ keine bestimmte Größe mehr, so dass auch eine Praxis mit zwei tätigen Ärzten die Möglichkeit habe, sich als MVZ zuzulassen und unter der Bezeichnung „Medizinisches Versorgungszentrum“ auf dem Markt aufzutreten. Dies sei bei der Frage des Verkehrsverständnisses zu berücksichtigen.

Bezeichnung als „Center“

Die Begriffe „Zentrale“, „Zentrum“ und „Center“ wurden nach ihrem ursprünglichen Sinn als ein Hinweis auf die besondere Größe und Bedeutung eines Unternehmens verstanden (BGH GRUR 1977, 503, 504). Der Verkehr erwartete hiernach einen kapitalkräftigen Großbetrieb, der innerhalb eines größeren oder kleineren räumlichen Bezirks die Handelsbeziehungen einer bestimmten Branche ganz oder doch überwiegend zusammenfasst und als Verkehrsmittelpunkt des einschlägigen Marktes in Betracht kommt.

Zumindest die Bezeichnung „Center“ hat diese Bedeutung indes weitgehend verloren. Der Begriff ist in vielen Branchen geradezu zu einem Modewort geworden, das in verschiedenen Zusammensetzungen gebraucht wird, wie z.B. Möbel-Center, Teppich-Center, Fitness-Center, Service-Center für Tankstellen, Buch-Center für Bücherläden. In diesen Zusammensetzungen weist das Wort „Center“ nicht auf ein kapital- oder umsatzstarkes Unternehmen hin, das seine Mitbewerber überragt.

Anwaltszentrum

Damit dürfte auch der Weg eines „Zentrums“ in der Rechts- oder Steuerberaterbranche eröffnet sein (bspw. Rechts- oder Beratungszentrum oder Anwaltszentrum). Nachdem zwischenzeitlich auch die „Ein-Mann-BAG“ (als Berufsausübungsgesellschaft nach § 59b I 2 BRAO) zulässig ist und nach § 59i I 1 BRAO sogar mehrstöckige Anwaltskonzerne denkbar wären, scheint das Argument der „Größe und Bedeutung“ zunehmend auch in diesem Bereich an Bedeutung zu verlieren. Auch die Vorstellungen der potentiellen Mandanten erwarten in der heutigen Zeit – bereits wegen der unzähligen Fachanwaltstitel – nicht mehr den „Allrounder“, sondern einen Spezialisten.