Das Jahresende rückt näher, alle bislang noch nicht vollständig gesammelten Fortbildungsstunden für die Aufrechterhaltung des oder der (bis zu drei) Fachanwaltstitel stehen zur Absolvierung an. Das Angebot der Fortbildungsveranstalter ist dieses Jahr – geprägt durch die Pandemiezeit – von der Präsenzveranstaltung in die Online-Welt verschoben worden. Inzwischen haben sich auch hier gängige Systeme zum Nachweis der Anwesenheit der Teilnehmer etabliert (seien es getaktete Kontrollfragen, Bestätigungen via Tastendruck oder auch die Zuschaltung via Video). Aber eine Frage bleibt auch in diesen Zeiten noch offen: In welchem Umfang wird die dozierende Tätigkeit eines Fachanwaltes für im Rahmen seiner eigenen Fortbildungspflicht berücksichtigt?
Beweggründe
Nach § 15 Abs. 1 S. 1 FAO muss derjenige, wer eine Fachanwaltsbezeichnung führt, kalenderjährlich auf diesem Gebiet wissenschaftlich publizieren oder an fachspezifischen der Aus- oder Fortbildung dienenden Veranstaltungen hörend oder dozierend teilnehmen. Nach Satz 3 ist bei dozierender Teilnahme die Vorbereitungszeit in angemessenem Umfang zu berücksichtigen.
Die alte Fassung des § 15 Abs. 1 aF sah noch keine Unterscheidung zwischen der hörenden und der dozierenden Teilnahme vor. Dabei liegt der Unterschied klar auf der Hand: Der Dozent einer fachspezifischen Veranstaltung wendet ein erhebliches Maß für die Vorbereitung dieser Veranstaltung auf; die dozierende Durchführung der Veranstaltung ist im Regelfall weitaus anstrengender, als die bloße Teilnahme. Diese veraltete Ansicht wurde dem erheblichen Mehraufwand des Dozenten nicht gerecht. Deshalb hat die Satzungsversammlung mit Wirkung zum 1.1.2018 die Einführung des neuen § 15 Abs. 1 S. 3 beschlossen, wonach bei dozierender Teilnahme „die Vorbereitungszeit in angemessenem Umfang zu berücksichtigen“ ist.
Umfang der Anerkennung
Die dozierende Teilnahme setzt lediglich eine fachspezifische der Aus- oder Fortbildung dienende Veranstaltung voraus. Die Merkmale der „anwaltsorientierten oder interdisziplinären Veranstaltung“ hat nur der hörende Fachanwalt zu erfüllen. Durch die Verwendung des Begriffes „fachspezifisch“ wollte die 5. Satzungsversammlung den Bereich der anerkennungsfähigen Fortbildungen „für interdisziplinäre Veranstaltungen und auch für Vorträge für nicht-anwaltliche Zuhörer“ (bspw. auch Lehrtätigkeiten, Workshops, Fachvorträge, Tätigkeit als AG-Leiter) öffnen. Auch gerade rechtliche Veranstaltungen bzw. Vorträge vor nicht-anwaltlichen Zuhörern stellen den Dozenten mitunter vor größere Vorbereitungen und Herausforderungen, da eine ganz andere Art der Fragentiefe und- breite erfolgt, welches bspw. in Fachanwaltskursen erfolgen. Irrelevant ist dabei auch, ob es sich bei der Wissensvermittlung um die Vermittlung von Grundlagen bzw. Basiswissen oder vertiefendes Expertenwissen handelt. Inhaltlich muss das Seminar einen Fachbezug („fachspezifisch“) zum anzuerkennenden Fachanwaltsgebiet des Dozenten aufweisen; es muss demnach lediglich einen Bezug auf den Inhaltskatalog des §§ 8 ff. FAO für das jeweilige Rechtsgebiet aufweisen. Die Hürden sind eher gering: Die Teilnahme an einem Seminar „Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik“ ist bspw. auch im Fachgebiet Verkehrsrecht als Fortbildungsveranstaltung im Sinne des § 15 FAO anzuerkennen (BGH NJW-RR 2016, 1459).
Die Veranstaltung muss zudem der Aus- und Fortbildung dienen, wobei es keinen Unterscheid macht, ob es sich um anwaltliches oder nichtanwaltliches Publikum handelt. Damit sind nahezu alle Veranstaltungen, bei denen relevantes rechtliches Wissen transportiert wird, als Fortbildungsveranstaltung anzuerkennen (BeckOK FAO/Günther, 11. Ed. 1.8.2020, FAO § 15 Rn. 9). Denn gerade die Vorbereitungszeit als Dozent durch die Erstellung der Unterlagen (Skript und Präsentation) stellt einen enormen Zeitaufwand dar, der sodann in der tatsächlichen Wissensvermittlung seinen Ausfluss findet. Rein interne Anwalts-Meetings oder sog. „Qualitätszirkel“ dürften den Anforderungen einer der Aus- und Fortbildung dienenden „Veranstaltung“ noch nicht erfüllen. Ob die Veranstaltung hingegen in Präsenz oder Webinar-Form stattfindet, ist ohne Bedeutung.
Angemessenheit
Über die Frage der Angemessenheit der Erhöhung des Aufwandes des dozierenden Fachanwaltes durch seine zu berücksichtigende Vorbereitungszeit wird bislang weitestgehend geschwiegen. Die Satzungsversammlung gibt hier den dozierenden Fachanwälten mit auf den Weg, dass die unterschiedlichen Möglichkeiten der Angemessenheitsprüfung jeweils im Rahmen einer Einzelfallprüfung der einzelnen Rechtsanwaltskammern vorgenommen werden soll (SV-Mat. 18/2017; zitiert nach Henssler/Prütting/Offermann-Burckart, 5. Aufl. 2019, FAO § 15 Rn. 38).
Als angemessener Umfang für die Vorbereitungszeit für eine Fortbildungsveranstaltung des dozierenden Fachanwaltes ist nach § 15 die Art und der Umfang der Vorbereitung relevant. Für einen Fachvortrag (bspw. Vortrag nach § 15 FAO vor anderen Fachanwälten) ist das Drei- bis Vierfache der reinen Vortragszeit anzusetzen, bei einer Veranstaltung mit nichtanwaltlichem Publikum mindestens das Zweifache der reinen Vortragszeit anzunehmen. Der Versuch einer Einordnung:
Publikum | Skript/Präsentation | Fakturierung der reinen Vortragszeit |
Rechtsanwälte/Fachanwälte | ausführlich/umfassend | Faktor 4 |
kurz/stichwortartig | Faktor 3 | |
Nein | Faktor 2 | |
Nicht-anwaltliches Fachpublikum | ausführlich/umfassend | Faktor 3 |
kurz/stichwortartig | Faktor 2 | |
Nein | Faktor 1,5 | |
Laienpublikum | ausführlich/umfassend | Faktor 2 |
kurz/stichwortartig | Faktor 1,5 | |
Nein | Faktor 1,2 |